Fragen an den katholischen Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ (Hildesheim)

 Die Fragen entstanden u.a. durch die spezielle Auseinandersetzung mit der Figur des Petrus in der Passionsgeschichte.

1. Wie bewegt es Sie, dass Petrus als „der stärkste Jünger“ Jesus verleugnet hat?

Jedes Mal, wenn ich die Szene von der dreimaligen Verleugnung lese oder höre, packt es mich. Einerseits denke ich: Petrus, wie kannst du nur. Und gleichzeitig frage ich mich: Und was hätte ich denn gemacht? Wäre ich stärker gewesen? Wäre ich bereit gewesen, mit Jesus in den Tod zu gehen?

 

2. Was sagen sie dazu, dass für manche der Eindruck entsteht, unsere Gesellschaft entwickele sich so, dass Christen aufgrund von sozialem Druck in der Öffentlichkeit nicht zu ihrem Glauben stehen?

Es gibt nicht wenige Länder auf unserer Erde, wo Menschen wegen ihres Glaubens verfolgt und sogar getötet werden. Das ist eine Katastrophe. In Deutschland haben wir, was ich für nicht hinnehmbar halte, mit wachsendem Antisemitismus zu tun. Jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen werden wegen ihres Glaubens angefeindet. Dagegen haben auch wir Christen aufzustehen. Dagegen scheint mir der soziale Druck gegenüber Christinnen und Christen – hier in Deutschland - eher gering zu sein. Mich freut es aber, wenn auch junge Menschen offen dazu stehen Christin oder Christ zu sein.

 

3. Gibt es Momente, in denen Sie ähnlich wie Petrus nicht Ihren Idealen entsprechen?

Wie Petrus werde auch ich meinen an mich gestellten Erwartungen nicht gerecht. Das passiert leider immer wieder. Ich erkenne gerade beim „dreimal Verleugnen“ des Petrus etwas bei mir wieder: Bestimmte Fehler mache ich - leider – immer wieder.

3.1. Wie gehen Sie mit solchen Situationen um und wie können andere damit umgehen?

Zunächst ärgere ich mich oft über mich selber und sage mir: Du weißt es doch eigentlich besser, aber es ist dir schon wieder passiert. Und dann hilft ein Blick auf Petrus. Er hat sich von Gott versöhnen lassen. Vielleicht kann man es auch so sagen: Er hat gespürt, dass Gott ihn trotzdem mit Liebe angeschaut hat – und konnte deswegen selber wieder in den Spiegel blicken. Wir können viel von Petrus lernen.

 

4. Meinen Sie, dass sich Pontius Pilatus schuldig macht, obwohl er versucht hat Jesus freizulassen?

Wenn man von Pontius Pilatus liest oder hört, spürt man sofort, wie unwohl ihm in dieser Situation ist. Uns ginge es nicht anders. Er hätte lieber einen anderen Ausgang im Prozess gegen Jesus gewählt. Er hätte wohl auch die Macht dazu gehabt. So gesehen, hatte er eine Verantwortung – und er muss mit den Konsequenzen leben, dass er diesen Ausgang zugelassen hat. Und auch hier können wir lernen: Es gibt kein schuldloses menschliches Leben. Wir sind immer wieder in Zwängen, in Abhängigkeiten gebunden. Und manchmal müssen wir Entscheidungen treffen, die für andere sehr unangenehm sind. Sicherlich werden wir unseren Mitmenschen dabei nicht immer gerecht.

 

5. Welchen Wert hat es auch Ihrer Sicht, die Bachsche Johannes-Passion heute aufzuführen und sich damit auseinanderzusetzen?

Johann Sebastian Bach wird ja häufig als der fünfte Evangelist bezeichnet. Da ist auch etwas dran. Wenn man die Johannespassion miterlebt, wirkt die Dramatik von Tod und Auferstehung Jesu Christi besonders intensiv. Fast wird man hineingerissen in diese für uns alle so wichtigen Ereignisse, die vor 2000 Jahren stattgefunden haben. Außerdem wird Menschen, die sich eher von der Musik Bachs, diesem großartigen Werk angesprochen fühlen, die zentrale christliche Botschaft, dass der Tod besiegt ist, nahe gebracht.

 

6. Wird die Passion Christi in der Bachschen Johannes-Passion gut wiedergegeben?

Meines Erachtens ist die Johannes-Passion eine äußerst gelungene Auslegung der Evangelien. Gerade für Menschen, die die Evangelien-Texte sehr gut kennen, bietet die Passion einen Zugang, der das Lesen und Hören ergänzt. Der Kirchenvater Augustinus hat gesagt: Wer singt, betet doppelt. Das gilt wohl nicht nur für die Sängerinnen und Sänger, sondern für alle, die der Passion zuhören dürfen.

 

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